1989 | Katalog   
Marina Linde:
Katalog zur Ausstellung von Hannelore Kirchhof-Born, 1989 in der Kunstgalerie Altes Rathaus in Fürstenwalde/ Spree

Das „Selbstbildnis als Saskia mit roter Blume“ von 1971 ist eines der fruehesten wichtigen, bis heute gueltigen Bilder der Malerin Hannelore Born. Kurz nach Beendigung ihres Studiums entstanden, sagt es viel aus ueber seine Schoepferin. Das Bild zeugt vom Sich-frei-machen von akademischen Anforderungen, es spricht von dem Willen der jungen Malerin, subjektives Empfinden sinnlich erlebbar umzusetzen. Eine fuer die Kuenstlerin beinahe ungewoehnliche Heftigkeit. Innere Unruhe gespannte erregung und Erwartung bestimmen das Bild. Die rote Farbe des Kleides verleiht der beinahe alterslos wirkenden schwangeren Frau etwas Majestaetisches.
Dieses wie viele der spaeter entstandenen Bilder Bannelore Borns erschliesst seinen ganzen Reichtum nicht sofort, sondern erst dem aufmerksamen Betrachter, der sich oeffnet und sensibilisieren laesst. Solche Bilder draengen nicht die in ihnen artikulierte Weltsicht auf, sondern provozieren den Dialog.
Auch ueber kuenstlerische Orientierungen und Ueberzeugungen der kuenstlerin ist durch dieses Bild etwas zu erfahren. Trotz der Anlehnung an den grossen Meister Rembrandt kommt individuellstes empfinden und Wollen zum Ausdruck. Die unruhevolle Ungewissheit in dem bilde bekommt etwas Prophetisches, sofern man weiss, dass Hannelore Born zunaechst nicht ihren kuenstlerischen Werdegang weiterverfolgen konnte, sondern von familiaeren Anforderungen in Anspruch genommen wurde. Zwei bis drei Jahre spaeter gelang ihr mit Unterstuetzung ihrer Familie ein neuer Anfang. Studienfahrten vor allem in die Sowjetunion gaben ihr neue Anregungen. Ihr Schaffen wird bestimmt durch Landschafts- und Portraetmalerei, wenige Stilleben.
N einer Reihe von Bildern der „Weissen Periode“ der siebziger Jahre, die zum Teil nach Eindruecken ihrer Reisen entstanden wie z.B Newa von 1976/77 und Am Newski Kloster von 1977 oder Die Peter-und-Paul-Kathedrale, Leningrad, 1973, kuendigt sich schon das stark meditative Element der gleichzeitig beginnenden meeresbilder an.
Die mit einem feinen Gefuehl fuer auserlesene Farben Begabte entspricht in der Sparsamkeit der Farben ihrem Sujet, aber auch ihrer Vorliebe, Poetisches, Stimmunghaftes, zu einem Teil ihrer Selbst Gewordenes auszudruecken. Die Bilder Hannelore Borns sind zeitlos, im Grundtenor heiter und bejahend; den Betrachter bejahend, ihn annehmend mit seinen Zweifeln und Beduerfnissen. Sie sind unverkrampft, kommunikativ, sinnlich, nicht kopflastig. Das unbedingte Vermeiden von Pathos fuehrt zu beinahe kuehler Ausstrahlung.

Hannelore Born ist eine ruhige, bestaendige Arbeiterin, die ihre inneren Bilder malt, die sie von der Natur empfangen hat. Sie greift Atmosphaerisches auf, das ihr entspricht und das sind fast immer die Seele erhebende, erweiternde Stimmungen. Ihre Landschaften erwecken Ahnungen. Unbegrenzte Weite wird zu einem Gefuehl von Leichtigkeit, zu einem Freiheitsgefuehl. In vielen Ihrer Bilder spielen Licht und Luft eine Rolle, verstaerkt aber in den Meereslandschaften, die zu einem Medium der Meditation werden. In den Meereslandschaften verdichtet und verknappt sich das Anliegen ihrer Malerei. Durchbrechendes Licht schafft Naehe und Kontrast zur Ferne des Horizonts. Die dunkle Meeresflaeche bringt die Tiefe des Meeres hervor.

Von 1984 und 1985 stammen zwei Bilder, die Duenen im Meer zeigen. Man glaubt, die Luft zu spueren, das Meer zu riechen. Die Malerin liebt das Licht, das sich viele Male in den Wolken und auf de rOberflaeche des Meeres bricht. Das Motiv fordert sich herausbildende Meisterschft, wird zur Probe des Koennens. Ueberraschung und Faszination angesichts von Vorgaengen der Natur halten bei Hannelore Born weiterhin an und fuehren zu neuen Ergebnissen. Neben den Meeresbildern entstehen Landschaften wie Wolken in Neubuch, Stilleben wie Flaschen oder Sonnenblume.
Die Vorstudien der Malerin sind ganz zarte Pastelle, fein wie Seidenstoff. Sie haben schon die intensive Lichteinwirkung der Sonne inm Ausdruck.
Eines der fruehen Bilder, das den Meeresmotiven schon sehr nahe kommt, ist Am Neuhofer See von 1978. Es ist karg, voller Poesie- der verregnete Tag, der verhangene Himmel, der nebel ueber dem See ist grau, aber er huellt ein, erwaermt. Der Gleichklang der Bilder baut auf einem Geruest von bewegten, heftigen Pinselstrichen auf, darueber wird dann gezielt die endgueltige Farbabstufung erarbeitet. Hohen Anspruechen genuegen duerfte die sensitive, sinnlich erlebbare Malkultur, die mit besten Traditionen der Dresdner Malerei verbunden bleibt. Bis in die kleinste Flaeche ist jedes Bild gemalt. Grundsaetzlich ist ein geistiges Anliege zu spueren, ein Anschauen der Seele durch das gemalte Objekt.

In den Portraets ist dieses doppelte Moment, die Begegnung zwischen der Malerin und dem Modell, der üprozess dieser Beziehung und das Zusammentreffen von Augenblick und Ewigkeit. Moeglichst praezise wird die Psyche des Dargestellten erfasst und doch auch in einem Halbdunkel belassen. Ein Bereich des Unantastbaren bleibt bestehen, der nicht preisgegeben wird.(...) Im Bildnis wird Hannelore Borns Haltung anderen Menschen gegenueber deutlich, die grundsaetzliche Achtung, das vorsichtige Eindringen in die Psychologie des Anderen. Ein Rest von Unergruendbaren bleibt, dessen Grenze nicht ueberschritten wird. Auch scheinbar leere Flaeche ist gemalt, bewegt und Traeger psychologischen Inhalts. Uch hier groesste Sparsamkeit beim Einsatz der Mittel. Kuehle Farben, wie blau, violett gehen ein harmonisches Gefuege ein mit braun und rot. Wesentlich sind Gesicht und Haende. Die Malerin vermeidet es zu typisieren, ueberscharf zu analysieren, sie belaesst ihr Gegenueber in einer Zurueckhaltung,d ie seinen grossen Charme ausmacht. Die geringe Geste der Portraetierten aus dem Bild heraus fordert auf zum naeheren Betrachten und schirmt zugleich ab.
Hannelore Born geht in ihrem Schaffen einen konsequenten Weg, der durch ihre Persoenlichkeit, ihre Art der Empfindung vorgegeben zu sein scheint. Ueberraschende Experimente oder scharfe Brueche haben darin wenig Platz. Ganz im Stillen aber vollzieht sich in diesem malerischen Werk Wandlung und Reifung, erfuellt sich von Stufe zu Stufe eine kuenstlerische Anschauung der Welt.